Große Hamburger Strasse (1934)

In der Großen Hamburger Straße begann 1934, dem Jahr, in dem Don Bosco von Papst Pius Xl. heilig gesprochen wurde, die Geschichte der Salesianer in Berlin. 
Der damalige Provinzial der deutsch-österreichischen Provinz, Dr. Franz-Xaver Niedermeier, fand für die Errichtung einer neuen Wirkungsstätte im Berliner Bischof Dr. Nikolaus Bares einen starken Befürworter.
Auch der Dompropst von St. Hedwig, Bernhard Lichtenberg, der sich schon für die Niederlassung mehrerer Orden in Berlin eingesetzt hatte, begrüßte das Kommen der Salesianer nachdrücklich.


Ein bis dahin von Salvatorianerpatres, später von Franziskanerbrüdern geleitetes Jugendheim des Caritasverbandes, im zweiten Hinterhof der Großen Hamburger Straße 18/19 gelegen, sollte für die Patres Richard Hauffen und August Klinski, den Kleriker Johannes Hoffmann sowie die Laienmitbrüder Wilhelm Funken, Hermann Späh, Johannes Pruy und Eberhard Dresel die erste Station ihres Weges in Berlin sein.

Die zügig vorgenommenen Verhandlungen zur Übernahme des Hauses kamen im Juni 1934 zum Abschluss, am 01. September 1934 erfolgte der offizielle Beginn salesianischer Arbeit im Heim an der Großen Hamburger Straße, das „für die verwaiste und durchwandernde männliche Jugend im Alter von 14 bis 20 Jahren bestimmt“ war.

Nicht nur äußerlich musste im Heim renoviert werden, auch die inneren Zustände bedurften einer grundlegenden Korrektur. Es gelang den Salesianern, die Jugendlichen für sich zu gewinnen. 

P. Klinski vertraute auf die Kraft der Musik. Er besorgte ein Harmonium und ein Klavier, später kamen noch Bass und Cello dazu, und die ersten Interessenten begannen mit den Übungsstunden.

Als nächstes wurde eine Turnerschaft Don Bosco gegründet, die regen Zuspruch fand. Kleinere Probleme brachten die Beschwerden von Nachbarn, die den vom Heim ausgehenden Lärm und das Treiben im engen Hof nicht hinnehmen wollten. 

Da der neue Bischof, Konrad von Preysing, Geld für einen hohen Zaun spendete, konnten die Gemüter beruhigt werden.
Ungleich größere Schwierigkeiten brachten die damaligen politischen Verhältnisse, da die Machthaber auch die Heime in religiöser Trägerschaft unter den Einfluss ihrer Schulungsprogramme bringen wollten. Bespitzelungen durch beauftragte Jungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen, alles was damals üblich war, mussten die Mitbrüder über sich ergehen lassen.

Der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo, diplomatischer Vertreter des Vatikans, besuchte am 04. Juni 1936 das Don Bosco-Heim, eine besondere Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit, die ja auch über die pädagogische und seelsorgliche Betreuung der Jungen hinausging.


Zum 50. Todestag des heiligen Don Bosco feierte man vom 27. bis 29. Januar 1938 in der St. Adalbert Kirche ein Triduum, am Abend des 31. Januar war der schon zur Tradition gewordene öffentliche Festakt in den Sophiensälen. 
Die Belegungszahl des Heims betrug nun schon 80 Jungen, für die durch den Ausbau des Dachgeschosses und der Belegung von vier weiteren Räumen zusätzlicher Platz geschaffen wurde. 
1938 wurde der bisherige Heimleiter P. Hauffen als Direktor nach Kassel versetzt und P. Klinski zum neuen Direktor ernannt. Er wusste, dass er kein leichtes Amt antrat. So schreibt er zum Jahreswechsel 1938/39 in der Chronik: „Das alte Jahr geht zu Ende. Wir gehen nicht ohne Besorgnis ins neue Jahr hinein. Doch wir vertrauen auf Gottes Schutz und Führung.“


In der Chronik wird vom ständigen Wechsel in der Belegung berichtet, so waren es 1940 noch sechs Priester und fünf Laienmitbrüder bei einer Zahl von 62 Jungen. Ein Jahr darauf waren es nur noch fünf Priester, ein Kleriker und ein Laienbruder, schließlich waren P. Klinski und P. Koch allein, alle anderen Mitbrüder waren eingezogen worden. Durch geflüchtete polnische Mitbrüder kam allerdings Unterstützung. 
Eine traurige Bilanz muss gegen Ende des Jahres 1942 gezogen werden: zehn Jungen sind im Krieg gefallen, drei verwundet, einer vermisst.

1943 begannen die Luftangriffe auf Berlin. Das Don Bosco-Heim wurde bei Bombardierungen im November und Dezember von mehreren Brandbomben getroffen. Die Flucht aus Berlin macht sich auch stark bemerkbar: Ende des Jahres sind nur noch 64 Jungen im Heim, die Zahl der Gefallenen steigt auf zwölf. Bei einem Tagesangriff am 19. Mai 1944 wird der Dachstuhl des Hauses in Flammen gesetzt, durch die Löschwassereinwirkungen ist das Haus vorläufig unbewohnbar, es muss geräumt werden. Glücklicherweise findet man in der gleichen Straße ein paar Häuser weiter im Reservelazarett 104 ein Notquartier. 
Durch den großen Einsatz der Jungen konnte das Don Bosco-Heim bereits wenige Wochen später, am 13. Juli 1944, wieder bezogen werden.
Der Bischof von Berlin, der spätere Kardinal von Preysing, lobte bei seinem Besuch am 06. August 1944 die Arbeit der Helfer: „Von ihrer Schaffensfreude werde ich unseren Priestern erzählen.“


Am 01. Mai 1945 rücken die russischen Soldaten auch im Don Bosco-Heim ein. Die Chronik weiß darüber zu berichten: „Sie waren freundlich und taten keinem etwas zu Leide; sie nahmen die Mützen ab und bekreuzigten sich, als sie die dort aufgestellten Herz-Jesu-, Mutter-Gottes-, St. Josef- und Don Bosco-Statuen sehen.“ Die Russen respektierten, dass das Heim von Arbeiterjungen bewohnt wird und ließen es in Ruhe. 

Zu den ständigen Gästen des Hauses zählten obdachlose Priester, die vorübergehend Unterschlupf finden. 
Das größte Problem ist die Lebensmittelknappheit. „Zum ersten Mal spüren wir im Monat Mai und Juni, was Hunger bedeutet.“ Im Gefolge der knappen Versorgung kommt es zu Ruhr- und Typhusausbrüchen. Oktober 1945 wird das Heim gesperrt, drei Jungen sterben.


Als Folge der großen Flüchtlingsnot werden viele Jungen aus den östlichen Gebieten, vor allem aus den jetzt polnisch besetzten, ins Heim aufgenommen. Sie haben ihre Eltern verloren und finden in der Großen Hamburger Straße eine neue Heimat. Es werden aber schließlich so viele, dass eine größere Unterkunft gesucht werden muss. P. Klinski fand nach langem Suchen das ehemalige Verwaltungsgebäude der Elektromotorenwerke der Firma Siemens am Rohrdamm.



Der Vorstand der Freunde Don Boscos Berlin e.V.